Gentechnikfreie Regionen
Gentechnikfreies Kirchenland. Foto: Yulian Alexeyev / unsplash.com

Katholische Kirche und Gentechnik

Die Auseinandersetzung mit der Agro-Gentechnik ist auch für katholische Christen ein wichtiges Thema. Anders als bei der protestantischen Kirche, die insgesamt durch eine eher gentechnikkritische Haltung geprägt ist, unterscheiden sich die Positionen auf der katholischen Seite je nach befragter Ebene deutlich. Den Anwendungen der Agro-Gentechnik relativ offen gegenüber steht der Vatikan. Die Deutsche Bischofskonferenz verweist auf die ambivalenten Folgen, und die in Deutschland in großer Vielfalt vorhandene Laienbewegung setzt sich oft kritisch mit der Gentechnik und ihren Folgen auseinander. Die katholischen Hilfsorganisationen haben – wie ihre protestantischen Partner – der Verwendung von genetisch veränderten Pflanzen als Bestandteil von Hilfslieferungen eine Abfuhr erteilt.

Die Position des Vatikans

Papst Franziskus zu Gentechnik in der Landwirtschaft. Foto: European Union 2014 / European Parliament Papst Franziskus zu Gentechnik in der Landwirtschaft  (European Union 2014 / European Parliament)

Die Haltung der römischen Amtskirche gegenüber vielen Anwendungen der medizinischen Gentechnik am Menschen (beispielsweise Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung, Klonen) ist durch eine klare Ablehnung gekennzeichnet. Den Anwendungen der Agro-Gentechnik steht die Katholische Kirche insgesamt offener – aber nicht ohne Skepsis – gegenüber.

Im Mai 2015 hat sich Papst Franziskus in einem Rundschreiben (Encyclica) an alle Gläubigen gewendet. Im Abschnitt über "die von der Forschung ausgehende biologische Innovation" äußert er sich auch über Gentechnik in der Landwirtschaft. Dabei schließt er sich der Position seines Vorgängers, Johannes Paul II, an: Die Kirche schätze den Beitrag der Molekularbiologie und ihre technologischen Anwendungen in Landwirtschaft und Industrie. Ihr Einsatz dürfe jedoch nicht zu einer „undifferenzierte[n] genetische[n] Manipulation“ führen, die die Folgen für das Ökosystem außer Acht lässt. Laut Papst Franziskus sei die Agro-Gentechnik vor allem dann mit Risiken verbunden, wenn sie „unangemessen und exzessiv“ angewendet würde. Als großes Problem erachtet er die Schwächung kleinbäuerlicher und regionaler Wirtschaftsstrukturen: An vielen Orten seien nach dem Anbau von Gentech-Pflanzen die besten Ackerflächen in den Händen großer Konzerne konzentriert. Mit den sich bildenden Oligopolen könnten die „kleinen Produzenten“ nicht konkurrieren. Sie gäben ihr Land auf und siedelten in die "Elendsviertel" der Städte um. Durch großflächige Gentech-Monokulturen würden die Ökosysteme geschädigt und die Produktpalette eingeschränkt. Dadurch würde die Regionalwirtschaft auf lange Sicht geschädigt.

Im November 2010 distanzierte sich der Vatikan von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen. Anlass dafür sind die Aussagen einiger Wissenschaftler der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Im Abschlussdokument einer Studienwoche zum Thema Agrar-Gentechnik, die im Jahr 2009 unter Beteiligung von 40 der 80 Wissenschaftler*innen der Akademie stattfand, wird propagiert, dass eine "verantwortlich angewandte" Gentechnologie in vielfacher Hinsicht einen "wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität" leisten könne. Das Dokument wurde vor seiner Veröffentlichung jedoch weder mit der gesamten Akademie noch dem Vatikan oder dem Papst abgestimmt. Laut Papstsprecher Frederico Lombardi darf das Statement nicht als offizielle Erklärung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften oder des Vatikan verstanden werden.

Im vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden erarbeiteten und im Mai 2006 online veröffentlichten "Kompendium der Sozialen Doktrin der Kirche" wird auf die Chancen und Risiken von Biotechnologieanwendungen verwiesen. Dem Menschen komme ein grundsätzlicher Gestaltungs- und Gärtnerauftrag und gleichzeitig Verantwortung zu. Auch wenn der Eingriff in die Natur durch gentechnische Veränderung von Organismen einen theologisch vertretbaren Akt darstelle, seien alle Veränderungen auf ihre Folgen hin ethisch zu prüfen und zu bewerten. Wichtigste Kriterien dabei seien Gerechtigkeit und Solidarität mit den Armen. Hieran machen insbesondere Bischöfe, Priester und Ordensleute aus den Entwicklungsländern ihre Kritik an der Agro-Gentechnik fest. Diese haben sie auf einer Konferenz zum Thema während des Pontifikats von Johannes Paul II. im November 2003 entsprechend geäußert.

Die Position der Deutschen Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich bis heute nicht abschließend zur Agro-Gentechnik positioniert. In einem im März 2003 gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegebenen Papier "Neuorientierung für eine nachhaltige Landwirtschaft" heißt es unter anderem: "Eine breite Umsetzung der großen Versprechungen (der Agro-Gentechnik, d.V.) ist bisher ausgeblieben. (...) Die Ambivalenz der Entwicklung liegt auf der Hand und nötigt zu einer grundsätzlichen Reflexion über die Leitwerte einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und Agrarpolitik." (S. 19).

In die Erarbeitung einer abschließenden Position einbezogen ist Professor Markus Vogt von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuern. Markus Vogt hat auf einer Bayreuther Tagung am 19. November 2004 einen Vortrag "GenEthik: Grüne Gentechnik in ethischer Sicht" gehalten, der den Stand der Diskussion auf katholischer Seite gut zusammenfasst.

Als klarer Gegner der Agro-Gentechnik gilt der im Oktober 2006 zum Bischof von Eichstätt geweihte Benediktinermönch Gregor Hanke. Schon in seiner Zeit als Abt der Benediktinerabtei Plankstetten ließ Hanke die Klosterwirtschaft auf ökologischen Landbau umstellen. Hanke kritisiert insbesondere auch die sozialen Auswirkungen der Agro-Gentechnik (Interview mit der Berliner Zeitung vom 18. Januar 2007).

Die deutschen Bistümer und die Auseinandersetzungen um die Agro-Gentechnik

Auch in den Bistümern wird um eine Haltung zur Agro-Gentechnik gerungen. In der Erzdiözese München und Freising hat sich der Diözesanrat am 9. Oktober 2004 für ein Verbot des Anbaus von GVO auf kirchlichen Flächen ausgesprochen. Die Deutsche Bischofskonferenz wurde aufgefordert, entsprechend Position zu beziehen.

Herz-Jesu-Kirche in Freiburg. Foto: Violetta / pixabay.com Herz-Jesu-Kirche in Freiburg  (Violetta / pixabay.com)

Am 8. November 2007 wandte sich der Diözesanrat erneut gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Mit Blick auf den Entwurf der Novelle des Gentechnikgesetzes vom August 2007 forderte er den Gesetzgeber auf, dafür Sorge zu tragen, dass der herkömmliche, gentechnikfreie sowie der ökologische Landbau nicht verdrängt werde.In einer Stellungnahme vom 25. November 2008 fasst der Vorstand des Diözesenrates die einzelnen Argumente gegen die Agro-Gentechnik und deren Gefahren in einem Positionspapier zusammen. "Aus Verantwortung gegenüber der Schöpfung" lehnt auch der Diözesanrat der Diözese Passau den Einsatz der "Grünen Gentechnik" ab.

Anders sieht es zum Beispiel im Bistum Magdeburg aus. Hier fordert zwar das Leitbild des Pastoralen Zukunftsgesprächs die Christen in allen Ebenen dazu auf, ihre "Schöpfungsverantwortung" wahrzunehmen und "alle innerkirchlichen Entwicklungen, Prozesse und Projekte (…) unter dem Leitgedanken der nachhaltigen Entwicklung zu prüfen, zu fördern und durchzuführen", gleichwohl war das Bistum ab dem Jahr 2004 über eine 100-prozentige Tochter am Bau des Bioparks Gatersleben beteiligt und damit in die Bereitstellung von Infrastruktur zur Biotechnologie- und Agro-Gentechnik-Forschung involviert.

Der Diözesenverband Münster fasst am 25. April 2009 den Beschluss, sich entschieden dafür einzusetzen, dass in den kirchlichen Pachtverträgen des Bistums ein Anbauverbot von gentechnisch veränderten Pflanzen eingebracht wird.

Kirchliche Laienorganisationen und Agro-Gentechnik

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat Ende November 2003 in seinem "Plädoyer für eine nachhaltige Landwirtschaft" den Eigentümern kirchlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen empfohlen, den Anbau von gentechnisch manipulierten Pflanzen zu untersagen.

Innerhalb der Katholischen Landvolkbewegung gibt es Unterschiede in der Bewertung der Technologie. Die Landvolkbewegung der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Regionalverein der Katholischen Landvolkbewegung verabschiedete am 16. Mai 2004 in Bad Mergentheim-Apfelbach eine Resolution, in der der Einsatz der Agro-Gentechnik abgelehnt wird.

Anders argumentiert dagegen die Katholische Landvolkbewegung (KLB) in Bayern. Auf ihrer Landesversammlung in Plankstetten im März 2005 beschloss sie im Hinblick auf die Agro-Gentechnik eine Neufassung ihres Leitbildes "Zukunft der Landwirtschaft". Darin heißt es nun:

"Die KLB will sich den neuen Möglichkeiten der grünen Gentechnik nicht grundsätzlich verschließen. Sie nimmt zur Kenntnis, dass bisherige Forschungen noch nicht abgeschlossen sind und leider nicht interessensfrei vorgenommen werden."

Die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) hingegen warnt klar vor den Folgen der Agro-Gentechnik. Sie beschränkt die Ablehnung nicht auf den Nahrungsmittelsektor, sondern kritisiert die Nutzung der Agro-Gentechnik auch im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Auf ihrem Bundeskongress am 21./22. Oktober 2006 verabschiedete sie deshalb ein entsprechendes Positionspapier. Darin heißt es:

"Der boomende Anbau nachwachsender Rohstoffe darf nicht die Einstiegshilfe für gentechnisch veränderte Pflanzen sein! Es gibt gravierende Risiken und begründete Bedenken gegen die Agro-Gentechnik, egal ob im Nahrungsmittelbereich oder bei nachwachsenden Rohstoffen."

Die KLJB fordert die Entscheidungsträger*innen auf allen politischen Ebenen auf, die Verbreitung von gentechnisch veränderten Organismen zu verhindern. Die Delegierten sehen die Gefahr, dass die Gentechnikkonzerne versuchen, im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen voranzutreiben, gerade weil er weniger als der Lebensmittelbereich im Interesse der Verbraucher*innen steht.

In Baden-Württemberg unterstützte die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Organisationen und Verbände der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Verbraucherkampagne "Mein Nein" für Gentechnikfreie Haushalte.

Misereor: Gentechnik ist keine Lösung

Saatgut. Foto: 41330 / pixabay.com Misereor: Mit Gentechnik lässt sich der Hunger in der Welt nicht bekämpfen.  (41330 / pixabay.com)

Das katholische Hilfswerk Misereor sieht die Versprechen der Agro-Gentechnik ebenfalls kritisch. Der für das Hilfswerk zuständige Erzbischof von Hamburg, Werner Thissen, lehnt die Technologie besonders wegen ihrer sozialen Auswirkungen ab. Sie sei nicht das richtige Mittel, um den Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Für MISEREOR - Partnerorganisationen im globalen Süden haben die Saatgutstrategien der Konzerne sowie die Verbreitung der Gentechnik verheerende Folgen. Richtiger sei es, die kleinbäuerlichen Strukturen in den Ländern des Globalen Südens zu stärken.

Zum Welternährungstag 2005 warnte Misereor gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation FIAN vor den Folgen der Agro-Gentechnik für Ärmsten der Weltbevölkerung. Die Bundesregierung und besonders die CDU wurden aufgefordert, gentechnisch veränderte Hilfslieferungen an Entwicklungsländer zu unterbinden und Aktivitäten einzustellen, die auf die Erweiterung der Anwendung der Gentechnik in den Ländern des Globalen Südens zielen.

Ablehnung erfahren auch die Patente auf Leben, das heißt die Patentierung ganzer Organismen durch Firmen. Bereits 2003 hat Misereor deshalb eine Kampagne mit dem Titel "Kein Patent auf Leben" durchgeführt und über 120.000 Unterschriften gesammelt.

Was kann ich in meiner Kir­chenge­meinde tun?

Kirchturm. Foto: FelixMittermeier / unsplash.com Sie können sich an Ihre Kirchengemeinde wenden.  (FelixMittermeier / unsplash.com)